RUBIKON: Im Gespräch: „9/11 auf LSD“ (Jens Lehrich, Dirk C. Fleck und Florian Kirner)

   

Rubikon

 

Published on Sep 11, 2019

9/11 auf LSD

Dirk C. Fleck und Jens Lehrich im Gespräch mit Florian Kirner über sein erstaunliches Roman-Debüt „Leichter als Luft“.

von Dirk C. Fleck

Selten hat ein belletristisches Erstlingswerk den Charme, die Kraft und die Frische, um auf Anhieb zu überzeugen. Und zwar offensichtlich jeden, der mit ihm in Berührung kommt. Noch seltener entscheidet sich ein Verlag, der normalerweise auf engagierte Sachbücher spezialisiert ist, einen Roman ins Programm zu nehmen. Der Frankfurter Westend-Verlag hat es getan. Florian Kirner hat sie einfach umgehauen. Jens Lehrich und mich übrigens auch. Und so baten wir Prinz Chaos II nach Hamburg, um mit ihm über den aberwitzigen Geniestreich und seine Entstehungsgeschichte zu sprechen. Es ist ein wunderbares Gespräch geworden, so wunderbar wie dieses aberwitzige Buch, das sicher seinen Weg gehen wird.

Erster! Ungelogen, fragen Sie Prinz Chaos II. Er wird bestätigen, dass ich der Erstleser seines Romans „Leichter als Luft“ bin, der gerade im Westend Verlag erschienen ist. Im vergangenen Jahr besuchte mich Florian Ernst Kirner nämlich in Hamburg, wo wir für Rubikon ein Gespräch führen wollten. In der Nacht vor dem Aufnahmetermin saßen wir bei mir zuhause lange zusammen und lasen uns gegenseitig aus unseren Arbeiten vor. Ich gab einige Kapitel aus meinem Roman „Feuer am Fuß“ zum Besten, und er zitierte aus einem noch unveröffentlichten Manuskript, das mehr als 18 Jahre (!) in alle Richtungen ausschlug und kaum zu bändigen war. Bei dem er sich nicht vorzustellen vermochte, wie er diesem erzählerischen Chaos, das wie ein wild gewordener Gaul mit ihm durchgegangen war, jemals Zügel anlegen konnte, sodass sich irgendwann eine stringente Handlung, ein Anflug von Ordnung erkennen ließe. Aber aufgeben wollte oder konnte der Schlossherr aus Thüringen das Projekt auch nicht.

Seine Figuren führten längst ein Eigenleben. Sie lauerten fordernd im Dickicht seiner Gedanken und hätten ihn wohl ausgelacht, wenn er sich ihnen nicht immer wieder gestellt hätte. Eine solche Schmach wollte Florian Kirner nicht auf sich nehmen. Und so geschah das Unmögliche: Die Erzählung begann sich schließlich zu fügen. Jetzt ging es nur noch um den Beschnitt. Aus dem verzweifelten Kutscher einer unkontrollierbaren Kalesche, als der sich der Autor lange Zeit fühlte, war ein Gärtner geworden, der seinen Text im Griff hatte und ihm stilsicher zu voller Blüte verhalf.

Zurück zu der Nacht, in der ich die ersten Textproben serviert bekam. Florian trug sie selbstsicher vor, als wüsste er um ihre Qualität genau Bescheid. Oder war ich es, der ihn ermutigte, seine Worte zu streicheln? Denn ich saß mit geschlossenen Augen da und genoss jeden Satz. Mir wurde sofort klar, dass hier jemand unseren Sprachschatz einmal kräftig umgepflügt hatte, wodurch die Geschichte eine besondere Färbung erhielt, eine eigene Färbung, wie sie auch Louis-Ferdinand Céline in seinen Romanen „Reise ans Ende der Nacht“ und „Norden“ herzustellen vermochte. Als uns endlich die Müdigkeit ergriff, bat ich Florian, mir den gesamten Text zu überlassen. Er tat dies gerne, denn bevor das Manuskript weiter in seinem Kopf rotierte, brauchte er endlich einmal ein Feedback von außen, dass ihn wieder erden konnte.

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